Nordfrankreich: EuroVelo 6- / Loire-Radweg
Auf dieser Radtour habe ich Frankreich von Osten bis Westen durchquert. Ich bin im Dreiländereck in Basel gestartet und bis zur Atlantikküste gefahren; insgesamt 1300 Kilometer.
Wenige Kilometer von Basel entfernt, quere ich in Weil am Rhein auf der Dreiländerbrücke den Rhein; dahinter befindet sich Huningue im südlichen Elsass in Frankreich. Übergeordnet folge ich immer dem Fernradweg EuroVelo 6. Die EuroVelo 6 verläuft zwischen dem Atlantik und Schwarzem Meer. Insgesamt ist die Strecke rund 4400 Kilometer lang.
Alles im Fluss – endlos, schöne Kilometer an Flüssen und Kanälen entlang
In Huningue führt mich die Wegbeschilderung zum Canal de Huningue. Dies sind meine ersten Meter – von vielen hundert Kilometern – ,die ich entweder an Kanälen oder Flüssen entlangfahre werde. Der Teilabschnitt der EuroVelo 6 durch Frankreich ist sehr abwechslungsreich und fast steigungsfrei, da die Streckenführung meist an Gewässern langführt. Rückblickend bin ich noch nie eine so entspannt auf einer mehrwöchige Radreise unterwegs gewesen. Die Infrastruktur, Wegführung und Wegqualität ist durchweg sehr gut und unterwegs gibt es viele landschaftliche und kulturelle Höhepunkte.
Es geht weiter am Canal du Rhôn au Rhin über Mulhouse, Dannemarie nach Montbéliard. Hinter Montbéliard treffe ich auf den Doubs, einen Fluss, an dem ich schon 2011 im schweizer Juragebirge bei St-Ursanne gefolgt bin. Damals war ich auf dem Weg nach Spanien.
Hier ist der Fluss breit und träge und nicht so agil wie in den Bergen. Er durchfließt in großen und kleinen Schleifen die nordwestlichen Ausläufer des Juragebirges. Er hat sich hier stellenweise canyonartig in das Juraplateau gearbeitet. Es wechseln sich wilde Berglandschaften mit netten, kleinen Siedlungen ab, die sich zwischen Fluss und Felswände drängen. Die größte Stadt der Umgebung ist Bresancon, die die „grünste Stadt“ Frankreich sein soll. Die Stadt liegt genau an einer engen Mäanderschleife des Doubs. Zu diversen Seiten hin ragen die Felsen in die Höhe. Jeder verfügbare Platz wurde für den Stadtbau genutzt. Von der Talsohle aus kann man die gut erhaltene Zitadelle hoch auf der Bergkuppel bestaunen.
Hinter dem Stadtgewirr geht es schnell wieder beschaulich am Fluss weiter. Es ist ruhig und ich bin – bei schönstem Hochsommerwetter – meist alleine auf dem Radweg unterwegs.
In Saint-Jean-de-Losne treffe ich auf den mächtigen Fluss Saône in Burgund. Dort geht es weiter über Seurre bis nach Verdun-sur-le-Doubs – wo der Doubs in die Saône mündet – und weiter nach Chalon-sur-Saône. Der Ort Chagny ist ein typischer Weinort im Süden des Burgund; viele Touristen kommen hierhin, um die Weinkeltereien im Ort und der Umgebung zu erkunden. Von Chagny geht es für mich weiter am Canal du Centre in Richtung Loire. Um ins Loiretal zu kommen, führt mich der Radweg über einige Höhenzüge. Bei Montceau-les-Mines beginnt die Straße anzusteigen. Es geht immer wieder auf und ab, die Radwegbeschilderung ist durchgehend und engmaschig aufgebaut, selbst in entlegenen Gebieten. So fahre ich gut geleitet Kilometer um Kilometer in Richtung Loiretal. Kurz vor dem bekannte Wallfahrtsort Paray-le-Monial wird es wieder eben, auch, weil es dort am Canal du Centre weitergeht. Bis zur Stadt Digoin fahre ich seitlich des Kanals auf ebener, asphaltierter Strecke. Digoin liegt an der Loire, die hier noch eine wilde Schönheit, abseits der bekannten Loireabschnitte, ist. Viele Touristen starten ihre Reise an der Loire erst in Nevers. Die Stadt liegt weiter stromabwärts – rund 120 Kilometer entfernt. Meine Tour geht weiter über Diou, Bourbon Lancy nach Decize. Die Wegführung leitet mich meist abseits der Loire entlang durch bäuerliche Gebiete mit Viehwirtschaft und Ackerbau. Die Strecke von Decize bis nach Nevers ist seitlich des Canal Latéral à la Loire angelegt.
Der Loireradweg – ein landschaftliches und kulturelles Highlight
Direkt am Ortseingang von Nevers liegt am Loireufer ein Campingplatz, auf dem ich für eine Nacht bleibe. Von hier aus bin ich zu Fuss in wenigen Minuten im historischen Stadtkern. Nevers ist an einem Berghang gelegen, die kleinen, verwinkelten Gassen leiten einen durch die Häuserschluchten immer höher, wo sich die Kathedrale Saint-Cyr-et-Sainte-Julitte und der Palais Ducal befinden. Von hier hat man einen schönen Ausblick auf das Loiretal. Am nächsten Tag fahre ich auf einer Dammkrone weiter; zur rechten Seite erblickt man immer wieder den Fluss, auf der anderen Seite wechseln sich Ackerflächen, Wälder und Siedlungen ab. Das Fahrradfahren auf den Dämmen an der Loire ist eine schöne Angelegenheit, da man immer einen guten Überblick hat und der Asphalt eben und gut befahrbar ist. Auf Teilstücken kann es aber auch monoton werden, es geht dann immer nur geradeaus ohne Abwechslung oder Herausforderung weiter. Doch diese Abschnitte sind schnell vergessen, denn der nächste Höhepunkt taucht auf jeden Fall irgendwann auf. Meist sind es die wunderschönen Städte mit historischen Stadtkern, wie La Charité-sur-Loire, Sancerre, das hoch oben auf einem Berg liegt, Gien oder die Großstadt Orléans. Der Loire-Radweg ist aber auch bekannt für seine prunkvollen Châteaus und Kathedralen, wie das Wasserschloss Château de Sullly-sur-Loire in Sully-sur-Loire oder die Cathédrale Saint Croix in Orléans. Wer sich dafür interessiert, sollte für eine Reise entlang der Loire genügend Zeit einplanen, alternativ mehrere Reisen an diesem Fluss unternehmen. Meine Tagestouren waren meistens nie länger als 40 bis 60 Kilometer. Dadurch blieb mir noch genug Zeit, um mir Sehenswürdigkeiten anzuschauen. Regelmäßig habe ich auch einen ganzen Tag an einem Ort verbracht, um mir einen besseren Überblick zu verschaffen. So war ich auch zwei Nächte in Orléans, der Hauptstadt der Region Centre Val de Loire. An diesem Tag habe ich dort gerade mal alles Interessante abgehen können. Wer möchte, kann in Orléans auch mehrere Tage verbringen. Es gibt diverse Museen, die historische Altstadt, die Promenade am Loireufer und natürlich das Wahrzeichen der Stadt die Kathedrale, die sich wuchtig und beeindruckend in die Höhe reckt.
Hinter Orléans fahre ich mal wieder auf einem Damm weiter; nach rund 15 Kilometer habe ich die Stadtausläufer hinter mir gelassen. Ich rolle nun durch Naturlandschaften mit viel Ruhe und schönen Ausblicken. Nach dem Passieren der Orte Meung-sur-Loire, Beaugency und Muides-sur-Loire, verlasse ich das Loiretal für einen Ausflug.
Ein Ausflug zum Château de Chambord
Ich folge nun der Radwegbeschilderung in Richtung Chambord. An der Loire kann man immer wieder Abstecher zu Sehenswürdigkeiten machen; ich habe mich spontan für die Tour nach Chambord entschieden. Es ist zwar ein regnerischer Tag gewesen, doch meine Entscheidung habe ich nicht bereut. In Chambord angekommen, sehe ich sofort das riesige Areal mit dem giganitschem Schloss, viele Wasserflächen und großangelegten Parkanlagen. Eine Schlossbesichtigung war nur mit Voranmeldung möglich. Man kann aber auch gut alles von außen besichtigen. Auf Spazier- und Wanderwegen kann man die Parkanlage erkunden – damals wurde alles so angelegt, dass das Schloss immer im Blick ist. Mit den umgebenden Waldgebieten ist das 5500 Hektar große Areal Europas größtes Forstgehege.
Weiter Richtung Nantes bis zur Atlantikküste
Wieder an der Loire zurück fahre ich weiter über Blois und Amboise nach Tours. Bei Candes Saint Martin stehe ich an dem Fluss Vienne, sie mündet dort in die Loire. Ein Besuch in der dortigen Stiftskirche ist lohnenswert. Auf den nächsten Kilometer reiht sich ein Highlight an das nächste: Im Nachbarort Montsoreau steht ein schmuckes Château, außerdem gibt es in dieser Region viele alteingesessene Winzer, die ihre Weine vor Ort anbieten. Im bekannten Weinort Turquant kann man sich auch eine Künstlersiedlung anschauen. Das Besondere hierbei ist, dass die Werkstätten und Ateliers in Höhlen der dortigen Kalktufffelsen eingerichtet wurden.
Von der Großstadt Saumur fahre ich an Anger vorbei, durch den bekannten Weinort Savennières bis nach Saint-Florent-le-Vieil und weiter bis nach Nantes. Nantes ist mit 600000 Einwohner die größte Stadt an der Loire; sie liegt in der Region Pays de la Loire. Ich campiere auf einem Zeltplatz, der rund zehn Kilometer außerhalb des Stadtzentrums liegt. Am nächsten Tag mache ich ohne Gepäck einen Ausflug in die Metropole. Auch hier gibt es wieder viel zu sehen, so dass ich mich nur auf wenige Dinge beschränken kann: Ein Besuch im Chateau des Ducs de Bretagne und in den Tierpark der lebenden Maschinen – Les Machines de I´île – ist sehr empfehlenswert.
Durch die täglichen Gezeiten mit Ebbe und Flut hebt und senkt sich die Loire in Nantes – das Meer ist rund 75 Kilometer entfernt. Im Zikzak-Kurs führt mich die Radwegbeschilderung aus Nantes heraus. Danach folgen einige Industriegebiete und im Ort Coueron finde ich die letzte Möglichkeit, um das Loireufer zu wechseln. Ich fahre nur auf der rechten Uferseite weiter, da ich bis zum Atlantik kommen möchte. Am Fähranleger Le Paradis setze ich über nach Le Pellerin. Die Fahrt ist für Fussgänger und Fahrradfahrer kostenlos und dauert nur wenige Minuten. Ein letztes Mal rolle ich seitlich an einem Kanal entlang – dem Canal Maritime de la Basse Loire. Von Consept aus fahre rolle ich weiter auf einen guten Schotterbelag. Hier im riesigen Mündungsgebiet befindet sich auf der anderen Uferseite eine kilometerlange Anreihung von Industriekonzernen und Schiffsbauwerften. Um dies zu sehen, klettere ich auf den Damm hinauf, der den Radweg von der Loire trennt. Erst kurz vor dem Ortseingang nach St-Brevin-les-Pins ist die Sicht wieder frei – ich schaue auf die breit dahin strömende Loire die in den Atlantik mündet. In St-Brevin-les-Pins deutet ein großes Schild auf das Ende / den Beginn des Loire- und EuroVelo 6 Radwegs hin. Auf den Asphalt wurde ein langgezogener Balken mit der Kilometerangabe 0 aufgemalt. St-Brevin-les-Pins ist ein Badeort mit kilometerlangem Sandstrand und viel Auswahl an Übernachtungsmöglichkeiten.
Wer mit dem Zug zurück in die Heimat fahren möchte, muss auf die andere Loireseite nach Saint Nazaire fahren. Dort gibt es einen TGV- und Regionalzug-Bahnhof. Die Überfahrt über eine riesige Brücke ist nur mit Pendelbussen, die auch Fahrräder transportieren, möglich. Dies wird überall ausdrücklich empfohlen, da in der Vergangenheit wohl schon Unfälle mit Fahrradfahrern passierten. In St-Brevin-les-Pins reserviert man sich über das Touristenbüro einen Busplatz mit Fahrradtransport. Im Ort ist man gut auf Radtouristen eingestellt und alles funktioniert schnell und problemlos. In Saint Nazaire gibt es einen großen Busbahnhof, wo Möglichkeiten für eine Bus-Reservierung vorhanden sind.
Als ich mit dem Bus auf der Brücke über die Loiremündung fahre, sehe ich den Fluss ein letztes Mal. Nach so vielen aufregenden Kilometern ist es mein letztes Highlight: Hoch über dem Fluss blicke ich auf die riesigen Wassermassen der Loire, die sich mit dem Meerwasser des Atlantiks mischen.